Lost places in Wien: Das ehemalige Biozentrum

Liebe Leser,
kürzlich war ich im 9. Bezirk in Wien unterwegs und konnte nicht widerstehen, das ehemalige "Biozentrum" zu besuchen, in dem ich - vor vielen Jahren - studiert hatte. Offiziell heisst das Gebäude UZA1 (Universitätszentrum Althangrund), südlicher Teil (der nördliche beherbergte bis 2013 die Wirtschaftsuniversität Wien, die jetzt hier wesentlich gediegener residiert).
Hier waren bis 2021 die Biologiestudenten untergebracht (inkl. Zoologie, Botanik, etc.), danach übersiedelten sie in ein neues Institut im 3. Bezirk. Es wurde von der Uni Wien an die Eigentümerin, die Bundesimmobiliengesellschaft (im Staatsbesitz) zurückgegeben und verfällt seither! Es ist unklar, was in Zukunft passieren soll, es ist die Rede vom "Rückbau" (Quelle).

Aus der Entfernung sieht man nicht viel, der südliche Haupteingang an der Althanstraße mit der auffälligen schüsselformigen Rotunde rechts, wo der große Hörsaal ist, wirkt zwar entvölkert, aber unverändert, als ob man das Gebäude jederzeit betreten könnte. Tatsächlich sind aber alle Eingänge (auch die kleinsten Nebeneingänge) abgesperrt - ich habe die meisten ausprobiert 😄, leider erfolglos, daher konnte ich keine Aufnahmen von innen machen.
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Das ganze UZA ist übrigens eine Überplattung des Frachtenbahnhofs "Franz-Josef". Straßen und sonstige Bahnhofszweckflächen liegen unter dem Gebäude, an sich eine geniale Konstruktion, um Platz zu gewinnen (und besser, als eine Uni am Stadtrand anzusiedeln wie z.B. die VetMed).
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Daher führt direkt hinter dem Haupteingang eine lange Rolltreppe (Lift gibt es hier keinen!) vom Straßenniveau nach oben auf die Hauptebene.
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Der Weg vom Südeingang zum nördlichen ist über das begrünte Dach möglich.
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Im Hintergrund das UZA2 und rechts der Schlot der Müllverbrennungsanlage Spittelau (mit dem markanten Friedensreich Hundertwasser-Design).
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Die Begrünung des Daches, die seit Jahren wild wuchert, begünstigt auch die Besiedelung des Bodens.
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Welches politische Spektrum hier vorherrschte, lässt sich unschwer an den allmählich ausbleichenden Stickern erkennen. Die linke Ulli Sima hatte ja auch hier studiert.
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Ein (abgesperrter) Treppenabgang, in dessen geschütztem Bereich sich schon üppige Vegetation breitgemacht hat.
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Blick in eines der ehemaligen Labore - komplett ausgeräumt. Dass es sich um ein Labor und nicht ein herkömmliches Büro handelt, erkennt man an den vielen Stehern mit Steckdosen.
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Wie gesagt, alle Seiteneingänge sind abgesperrt, hier einer, der vom Dach in ein rundes Stiegenhaus führt. Wie überall hat sich Unkraut in den Ritzen der Bodenfliesen ausgebreitet.
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An den knuffigen Lampen nagt auch der Zahn der Zeit.
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Eine blühende Glattblatt-Aster (Symphyotrichum novi-belgii). Wie die wohl hierhergekommen ist?
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Eines der mehreren Glashäuser der Anlage, die früher botanischen Zwecken gedient hatten,...
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... wird heute als Papageienschutzzentrum weiterverwendet (ein privater Verein, der dafür Miete zahlt).
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Über die Architektur des Gebäudes, das 1976-1982 gebaut worden war, mag man streiten. Ich finde sie gar nicht übel. Im Sommer war es immer, aufgrund der vielen Glaselemente, unangenehm heiß (Aircondition war damals kein Thema), aber ansonsten mochte ich den schnörkellosen Charme und das viele Grün (im Inneren gab es sehr viele Pflanzentröge).
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Straßenseitig wirkt die Fassade aber nicht gerade ansprechend, zumindest wurde sie noch nicht durch SchmierereienStreetart "bereichert".
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Viele nostalgische Erinnerungen werden wieder wach, wenn ich dort bin...

Dieses Bild ist irgendwie symbolisch für das Gebäude heute. Noch lebendig, aber schon leicht verfallen, bleibt der Betrachter im Unklaren, wo die Treppe hinführt bzw. die Reise hingehen wird.
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all pics by @stayoutoftherz

Andere Lost places in Wien:
Die Jakobs-Fabrik
Der ehemalige Nordbahnhof

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Schöne Bilder! Ich weiß nicht, ob auch bei dir so eine Art nostalgische Stimmung aufkam, als du den Ort deines früheren Studiums aufgesucht hast - jedenfalls ging es mir selbst so, als ich kurz vor meiner Auswanderung noch einmal über den Campus meiner alten Universität streifte (wo ich viel Schönes erlebt hatte, aber aufgrund so einiger Entscheidungen, wie z. B. der geradezu 'frevelhaften' Schließung des botanischen Gartens, nur den Kopf schütteln konnte), den verschiedenen Gebäuden, die ich so gut kannte, von Biologie über Chemie bis Physik, noch einmal einen letzten Besuch abstattete und dachte "So viele Jahre hast du dort verbracht, als Student und später auch Dozent, und jetzt wirst du diesen Ort vielleicht nie wieder sehen ...". Das ist schon ein seltsames Gefühl gewesen.

Ja, war bei mir ähnlich :)

Das UZA1 ist wirklich ein interessantes Beispiel für die Architektur und Stadtplanung der 70er und 80er Jahre in Wien. Es ist faszinierend zu sehen, wie ein ehemaliger Frachtenbahnhof überbaut und in ein Universitätszentrum integriert wurde. Die Idee, den Raum effizient zu nutzen und mitten in der Stadt zu bleiben, war damals sehr fortschrittlich. Schade, dass das Gebäude jetzt leer steht, denn es scheint strukturell noch gut erhalten zu sein. Auch der Gedanke, dass sich die Natur langsam ihren Platz zurückholt, passt perfekt zu seiner Geschichte als biologisches Zentrum. Hoffentlich findet man eine neue Nutzung, die Wissenschaft und Nachhaltigkeit wieder miteinander verbindet.


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Kann das nicht irgendwie verwendet werden, statt dem Verfall preisgegeben? Als Künstler könnte ich mir so einiges vorstellen. Studios für freischaffende Künstler in Wien - denke ist groß genug um alle unterzubringen (die derzeit über ganz Wien verstreut sind), sowie Ausstellungsräume usw. Die Labor mit den vielen Steckern - das hatten wir im KQWM - ehemaliges Computerlabor. Na ja, ich träume in Technicolor hier, denn wer soll das bezahlen? Z.B. Ein Gebäude auf den Steinhof Gründen ist für Künstlerstudios freigestellt, weiß aber nicht wie viel die Mieten kosten und ob überhaupt etwas frei ist. Das wegen der Hitze in Glasgebäuden: da hab ich irgendwo gelesen dass dies auch eine Schule betrifft die deswegen leer steht.

Eigentlich schade, dass ein Rückbau die einzige "Verwendung" wäre. War in Wien nicht auch Wohnungsnot?

Das Ding einfach mal über einen Bahnhof zu bauen ist auch ziemlich interessant. Ist der noch in Betrieb? Und wenn er es während der aktiven Zeit des Campus war, hörte oder spürte man die Züge?

Nein, man merkte nichts daovn.

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The place is still usable. It's quite bigger to be abandoned

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Ich stehe ja oft mit meiner Meinung alleine da, aber manchmal ist es halt sinnvoller etwas altes gegen etwas neues zu tauschen. Ganz oft sind das Schuhe oder Hosen und dann ab und zu auch mal ein altes Gebäude.