
Wie Justiz und Medizin das Ungeheuerliche sprachlich zähmen – Eine Betrachtung über Sprache, Schuld und Verantwortung
Schlüsselbegriffe: Sprache, Ethik, Justiz, Medizin, Verantwortung, Kindesmissbrauch, Terminologie, Gesellschaft, Moral, Wahrheit
In diesem Essay analysiert Zeitgedanken, wie juristische und medizinische Begriffe das moralisch Ungeheuerliche in bürokratische Sprache verwandeln. Er zeigt, dass Begriffe wie Kinderpornographie oder Pädophilie nicht neutral sind, sondern das Unaussprechliche zähmen, um es verwalten zu können. Der Text fordert eine Rückkehr zur sprachlichen Wahrheit: eine Justiz, die nicht nur Ordnung, sondern Gewissen kennt – und eine Medizin, die erklärt, ohne zu entschuldigen. Denn solange Worte das Verbrechen mildern, bleibt die Gesellschaft Mittäterin.
Dieser Beitrag benennt sexualisierte Gewalt an Kindern in klarer Sprache.
Er will Bewusstsein schaffen, nicht schockieren.
I. Vorwort: Wenn Sprache versagt
Worte können retten – oder sie können verraten.
Eine Gesellschaft, die das Schlimmste nur noch im Verwaltungsdeutsch benennt, hat ihre moralische Stimme verloren. Begriffe wie Kinderpornographie oder Pädophilie sind keine neutralen Fachausdrücke. Sie sind sprachliche Tarnkappen, mit denen sich die Zivilisation selbst beruhigt.
Denn sie lassen das Unaussprechliche verwalten, ohne es wirklich auszusprechen.
II. Das juristische Relikt
Im deutschen Strafrecht steht es schwarz auf weiß: § 184b StGB spricht von der „Verbreitung, dem Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“.
Damit verknüpft der Gesetzestext zwei unvereinbare Welten:
Das Kind – Symbol des Schutzes und der Unschuld – und den pornographischen Inhalt – Ausdruck von Freiwilligkeit und Inszenierung.
Doch Kinder können nicht einwilligen. Sie sind keine Akteure, sondern Opfer.
Was hier als „pornographischer Inhalt“ bezeichnet wird, ist in Wahrheit dokumentierte Gewalt.
Der Begriff selbst wird so zur zweiten Tat – einer semantischen.
Er verwandelt ein Verbrechen in ein „Genre“.
III. Die zweite Verletzung
Jede Missbrauchsaufnahme ist ein Gewaltakt, festgehalten auf Dauer. Jedes Bild, jedes Video ist ein Beweisstück einer Tat.
Wenn der Staat solche Beweise mit einem Wort beschreibt, das nach Erotik klingt, begeht er eine sprachliche Verfehlung. Denn das Opfer verschwindet hinter dem Begriff.
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs schreibt treffend:
„Kinderpornografie ist ein verharmlosender Begriff, der darüber hinwegtäuscht, dass jede solche Darstellung eine schwere Straftat ist.“
Diese Feststellung reicht tiefer als Juristerei. Sie offenbart eine sprachliche Abstumpfung:
Ein System, das Gewalt nur noch in Paragrafen denkt, verliert den Blick für die Würde.
IV. „Pädophilie“ – die medizinische Entschuldigung
Das zweite Wort, das auf den Prüfstand gehört, ist Pädophilie.
Es klingt gelehrt, klinisch, kontrolliert – und bedeutet doch wörtlich: „Kinderliebe“.
Aber was Kinder zerstört, kann keine Liebe sein. Die Medizin definiert Pädophilie als „sexuelle Präferenz für präpubertäre Kinder“.
Damit wird die Tat zur „Störung“, der Täter zum „Patienten“.
Was als wissenschaftliche Klassifikation gedacht war, wurde zur moralischen Entlastung. Denn wenn jemand „krank“ ist, dann kann er ja nichts dafür. Und so wird aus Schuld eine Diagnose, aus Verantwortung ein Therapiefall. Doch kein Trieb hebt Verantwortung auf. Ein Täter trifft Entscheidungen.
Er handelt nicht wegen einer Störung, sondern trotz der Menschlichkeit, die er übertritt.
Die Sprache der Medizin erklärt – aber sie entschuldigt.
Und darin liegt ihr stilles Versagen.
V. Die institutionelle Mitverantwortung
Justiz, Medizin, Psychiatrie, Medien – sie alle benutzen diese Wörter. Nicht, weil sie Böses wollen, sondern weil sie gelernt haben, das Schreckliche in Ordnung zu halten.
Das Gesetz braucht Kategorien, die Psychiatrie braucht Diagnosen, die Presse braucht Überschriften. Doch in dieser Ordnung verliert das Opfer sein Gesicht. Die Sprache, die schützen sollte, wird zur Barriere.
Sie erlaubt Distanz: Ein Richter spricht von „Inhalten“, ein Arzt von „Patienten“, ein Reporter von „Fällen“. Und jedes dieser Worte schafft einen Millimeter mehr Abstand zur Wirklichkeit. So wird aus Mitleid Verwaltung. Und aus Verantwortung Routine.
VI. Die Wahrheit unter der Oberfläche
Was hier Pädophilie heißt, ist kein Leiden, sondern die moralische Selbstaufgabe des Täters. Er macht den Anderen zum Objekt seines Triebes – nicht, weil er krank ist, sondern weil er sich über das Menschliche erhebt.
Das ist kein Defekt, sondern Entscheidung. Eine Entscheidung gegen Empathie, gegen Scham, gegen Würde. Die Psychiatrie kann behandeln, aber sie kann nicht heilen, was moralisch zerbrochen ist. Denn das, was zerstört wurde, ist kein Gehirnareal, sondern das Gewissen.
VII. Die Sprache als Mitwisser
Sprache formt Denken. Und Denken formt Handeln. Wenn ein Begriff Gewalt in ein neutrales Wort verwandelt, dann verschiebt sich das Bewusstsein.
„Kinderpornographie“ macht aus Leid ein Medium. „Pädophilie“ macht aus Tätern Patienten. Das ist nicht bloß ungenau – es ist gefährlich. Denn jede Gesellschaft, die ihre Begriffe zähmt, zähmt auch ihr Gewissen.
VIII. Die Justiz – Ordnung ohne Gewissen
Die Strafverfolgung funktioniert. Aber sie spricht eine Sprache, die keine Moral kennt. Sie kennt Täter, Opfer, Beweise – aber keine Würde. Wenn ein Urteil fällt, bleibt das Wort bestehen. Und das Wort vergiftet weiter. Es ist an der Zeit, dass das Recht seine Sprache erneuert. Nicht, um härter zu werden, sondern um wahrhaftiger zu sprechen.
Denn solange § 184b StGB das Wort Pornographie trägt, trägt das Gesetz selbst eine Spur der Lüge in sich.
IX. Die Medizin – Wissen ohne Gewissen
Auch die Psychiatrie muss sich ihrer Macht bewusst werden. Wer diagnostiziert, schafft Wirklichkeit. Und wer Wirklichkeit benennt, trägt Verantwortung. Es genügt nicht, Störungen zu katalogisieren. Die Medizin muss klarstellen, dass eine Diagnose keine moralische Entlastung ist. Therapie darf nicht den Platz des Schuldeingeständnisses einnehmen. Wissenschaft darf erklären – aber sie darf niemals rechtfertigen.
X. Die Forderung nach sprachlicher Klarheit
- Abschaffung des Begriffs „Kinderpornographie“
Ersetze ihn in allen amtlichen Texten durch „Darstellungen sexueller Gewalt an Kindern“.
Kein Kind ist je Teil von Pornographie – es ist immer Opfer von Missbrauch. - Neudefinition des Begriffs „Pädophilie“ in der öffentlichen Kommunikation
Medizinische Fachliteratur mag ihn behalten,
aber Medien und Justiz sollen ihn meiden.
Verwende stattdessen: „Täter sexueller Gewalt gegen Kinder“. - Opferzentrierte Sprache in Behörden und Medien
In jeder Akte, in jeder Pressemitteilung, in jeder Gerichtsbegründung
muss das Opfer Subjekt bleiben, nicht Objekt. - Bewusstsein für die Macht der Worte
Schulen, Universitäten, Redaktionen, Kanzleien –
sie alle müssen lernen, dass Sprache nie neutral ist.
Worte schaffen Wirklichkeit.
XI. Die seelische Wahrheit
Das, was Kindern durch diese Taten angetan wird, ist Mord auf Raten. Es löscht Vertrauen, Würde und Selbstbild. Und keine Therapie der Welt kann das ungeschehen machen. Das Mindeste, was die Gesellschaft tun kann, ist, ihre Sprache zu reinigen.
Damit sie nicht länger Teil der Tat bleibt.
XII. Schluss: Die Rückkehr zur Wahrheit
Gerechtigkeit beginnt im Wort. Wenn das Wort lügt, wird jede Institution zum Mitwisser.
Darum gilt:
Sag nicht „Kinderpornographie“ – sag Gewalt an Kindern.
Sag nicht „Pädophilie“ – sag bewusste Entmenschlichung.
Sprich, wie die Wahrheit spricht: klar, scharf, unversöhnlich.
Denn wer Kinder schützt, muss zuerst die Sprache schützen.
Alles andere ist Beihilfe.
Quellen und Hinweise
• § 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte (gesetze-im-internet.de)
• Aufarbeitungskommission sexueller Kindesmissbrauch – Glossar zum Begriff „Kinderpornografie“
• Interpol / Europol – Terminology Guidelines on CSAM (Child Sexual Abuse Material)
• US-Department of Justice – Child Sexual Exploitation and Obscenity Section
• Internet Watch Foundation (IWF) – Annual Reports zu CSAM und Self-Generated Content
• DSM-5 und ICD-11 – Definition der Paraphilen Störungen
• Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) – Leitlinie Sexualmedizin (Hinweise zur gesellschaftlichen Verantwortung der Terminologie)
Verfasst von: Zeitgedanken
Kategorie: Ethik / Sprache / Gesellschaft
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